Landesgesetz zur Förderung der Jugendarbeit und Jugendsozialarbeit (Jugendförderungsgesetz )
vom 21. Dezember 1993 (GVBI. S. 629)

§ 1 — Regelungsbereich

Dieses Gesetz regelt das Nähere über Inhalt und Umfang der Aufgaben und Leistungen der Jugendarbeit und der Jugendsozialarbeit nach den §§ II bis 13 des Achten Buches Sozialgesetzbuch.

§ 2 — Jugendarbeit

(1) Die Jugendarbeit nach § II des Achten Buches Sozialgesetzbuch ist ein eigenständiges Sozialisationsfeld neben Erziehung und Bildung in Familie, Schule und Beruf. Sie bietet insbesondere in den in § II Abs. 3 des Achten Buches Sozialgesetzbuch genannten Schwerpunktbereichen Einrichtungen, Dienste und Veranstaltungen für junge Menschen an; sie fördert die aktive Mitwirkung junger Menschen an der Gestaltung ihrer LebensumweIt. Die Angebote der JugendarbeIt können auch Personen, die das 27. Lebensjahr vollendet haben, in angemessenem Umfang einbeziehen.

(2) Wesentliche Merkmale der Jugendarbeit sind die Vielfalt ihrer Inhalte, Formen und Trägerstrukturen sowie die Freiwilligkeit der Teilnahme junger Menschen und die Möglichkeit zur Mitgestaltung. Sie bedarf einer ausreichenden Zahl von hauptamtlichen Fachkräften und ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der öffentlichen und freien Träger der Jugendarbeit.

(3) Jugendarbeit orientiert sich hinsichtlich ihrer Inhalte und Formen an den Interessen und lebensweltlichen Bezügen junger Menschen. Sie findet statt als mobile Arbeit oder in Einrichtungen. Sie umfaßt insbesondere Jugendbildung, Freizeitangebote, internationale Begegnungen, Jugendberatung, Jugendinformation und Angebote für besondere Gruppen von jungen Menschen. Zu den Aufgaben der Jugendarbeit gehört auch die Aus- und Welterbildung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

(4) Jugendarbeit entwickelt eigenständige Ansätze und Angebote für Mädchen und junge Frauen. Sie leistet mit der Berücksichtigung der besonderen Interessen und Problemlagen von Mädchen und jungen Frauen einen Beitrag zur Stärkung weiblicher Identität und Selbständigkeit und soll damit auf eine Chancengleichheit der Geschlechter hinwirken.

(5) Die Arbeit mit Kindern ist ein wesentlicher und eigenständiger Teil der Jugendarbeit. Sie umfaßt insbesondere Angebote der sozialen und kulturellen Bildung. Sie schafft für Kinder geeignete Formen der Beteiligung an der Gestaltung ihrer Lebensumwelt.

(6) Jugendarbeit soll interkulturell ausgerichtet sein. Ihre Angebote sollen sich gleichermaßen an deutsche und ausländische junge Menschen richten und zum Abbau von Vorurteilen und zu gegenseitigem Verständnis beitragen.

§ 3 — Jugendsozialarbeit

(1) Jungen Menschen sollen im Rahmen der Jugendsozialarbeit nach § 13 des Achten Buches Sozialgesetzbuch zur Förderung ihrer schulischen und beruflichen Ausbildung, ihrer Eingliederung in die Arbeitswelt und ihrer sozialen Integration sozialpädagogische Hilfen angeboten werden. Jugendsozialarbeit findet insbesondere statt als offenes, vorbeugendes und aktuelles Hilfeangebot durch Beratung, als gezielte sozialpädagogische Maßnahme, als aufsuchende Sozialarbeit, in Einrichtungen und Kursen sowie durch therapeutische und sonstige Dienste.

(2) Jungen Menschen, deren Zugang zu schulischen oder beruflichen Bildungsmaßnahmen oder zu Beschäftigungsmaßnahmen nicht anderweitig sichergestellt ist, können neben sozialpädagogisch begleiteten Ausbildungs- und Beschäftigungsmaßnahmen nach § 13 Abs. 2 des Achten Buches Sozialgesetzbuch auch flankierende pädagogische Hilfen angeboten werden. Flankierende pädagogische Hilfen sind insbesondere Bildungsveranstaltungen und Beratungsangebote sowie sozialpädagogische Begleitung im Rahmen der Schulsozialarbeit.

(3) Jungen Menschen können sozialpädagogisch begleitete Wohnformen nach § 13 Abs. 3 des Achten Buches Sozialgesetzbuch angeboten werden. Diese eigenständigen Hilfen der Jugendsozialarbeit werden insbesondere in Einzelwohnungen, in Wohngemeinschaften und in Jugendwohnheimen sowie in Verbindung von Arbeiten und Wohnen eingerichtet. Die sozialpädagogische Begleitung soll die jungen Menschen zu einer selbständigen Lebensgestaltung befähigen. Sie unterstützt insbesondere schulische und berufsbildende Maßnahmen sowie Angebote der Eingliederung in die Arbeitswelt.

(4) Jugendsozialarbeit bietet gezielte Beratungs- und Hilfemöglichkeiten für Mädchen und junge Frauen an. Sie unterstützt Mädchen und junge Frauen bei ihrer individuellen Lebensgestaltung.

(5) Jungen Aussiedlerinnen, Aussiedlern, Ausländerinnen und Ausländern werden in Form von Beratung, Hilfestellung und Begleitung Integrationshilfen angeboten, die es ihnen ermöglichen, ihre Entwicklungschancen in der Gesellschaft wahrzunehmen und ihre Integration in Schule, Beruf und Gemeinwesen zu bewältigen. Kulturelle Traditionen und unterschiedliche Sozialisationsbedingungen sollen unter Berücksichtigung der Vorstellungen der jungen Menschen beachtet werden. Vorrangige Leistungsverpflichtungen auf Grund sonstiger Bestimmungen bleiben unberührt.

§ 4 — Jugendarbeit und Jugendsozialarbeit in der Jugendhilfeplanung

(1) Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe haben im Rahmen ihrer Planungsverantwortung in der Jugendhilfeplanung gemäß § 80 des Achten Buches Sozialgesetzbuch den Bestand und den Bedarf an Einrichtungen, Diensten und Veranstaltungen sowie Fachkräften der Jugendarbeit und der Jugendsozialarbeit zu ermitteln und Festlegungen für die Umsetzung der notwendigen Maßnahmen zu treffen. Maßnahmen für Mädchen und junge Frauen sind gesondert darzustellen. Der Anteil der für die Jugendarbeit und die Jugendsozialarbeit bereitgestellten Mittel ist gesondert auszuweisen.

(2) An der Jugendhilfeplanung nach Absatz I sind die anerkanntenTräger der freien Jugendhilfe und ihre Zusammenschlüsse von Anfang an zu beteiligen. Sonstige Verbände, Gruppen und Initiativen, die in der Jugendarbeit oder der Jugendsozialarbeit tätig sind, sollen angemessen beteiligt werden. Jungen Menschen soll Gelegenheit gegeben werden, in geeigneten Beteiligungsformen an der Jugendhilfeplanung mitzuwirken.

§ 5 — Gewährleistungsverpflichtung, Grundsätze der Förderung

(1) Die örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe haben in ihrem Zuständigkeitsbereich zu gewährleisten, daß die erforderlichen Einrichtungen, Dienste und Veranstaltungen der Jugendarbeit und der Jugendsozialarbeit zur Verfügung stehen.

(2) Die örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe erfüllen ihre Verpflichtung zur Förderung anderer Träger der Jugendarbeit und der Jugendsozialarbeit nach den §§ 12 und 74 des Achten Buches Sozialgesetzbuch sowie nach den Inhalten und Vorgaben der Jugendhilfeplanung. Kreisangehörige Gemeinden und Gemeindeverbände, die nicht örtliche Träger der öffentlichen Jugendhilfe sind, fördern die Jugendarbeit und die Jugendsozialarbeit in Abstimmung mit dem örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe im Rahmen ihrer Leistungsfähigkeit.

(3) Das Land fördert die Jugendarbeit und die Jugendsozialarbeit nach Maßgabe dieses Gesetzes. Es hat auf einen gleichmäßigen Ausbau der Angebote der Jugendarbeit und der Jugendsozialarbeit im Land hinzuwirken. Es unterstützt die Entwicklung neuer Ansätze, die von besonderer oder modellhafter Bedeutung sind.

(4) Die Förderung setzt eine angemessene Eigenleistung der Träger voraus; ehrenamtliche Mitarbeit ist als Eigenleistung zu berücksichtigen. Von der Förderungnach diesem Gesetz sind gewerbliche Maßnahmen sowie Maßnahmen, die überwiegend parteipolitischen, religiösen oder leistungssportlichen Charakter haben, ausgeschlossen.

§ 6 — Art und Umfang der Landesförderung

(1) Das Land fördert die Jugendarbeit und die Jugendsozialarbeit gemäß den Absätzen 2 bis 9 nach Maßgabe des Haushaltsplans. Das Nähere über die Förderung regelt das Ministerium für Arbeit. Soziales, Familie und Gesundheit im Einvernehmen mit dem Ministerium der Finanzen durch Verwaltungsvorschrift. Es weist die Im Landeshaushalt für die Förderung bereitgestellten Mittel in einem Landesjugendplan aus.

(2) Das Land fördert Maßnahmen der Träger der Jugendarbeit in den In § 2 genannten Bereichen. Die Förderung von Maßnahmen der Jugendsozialarbeit nach § 3 bezieht sich auf Maßnahmen. die über den Rahmen der Einzelfallhilfe hinausgehen und von besonderer oder modellhafter Bedeutung sind.

(3) Das Land leistet Zuwendungen für ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an Maßnahmen der Träger der Jugendarbeit und der Jugendsozialarbeit.

(4) Das Land leistet Zuwendungen zu den Personalkosten für hauptamtliche Fachkräfte, die tätig sind

  1. als Bildungsreferentin oder Bildungsreferent in der Jugendarbeit eines auf Landesebene anerkannten Trägers der freien Jugendhilfe,

  2. in einem Jugendzentrum eines anerkannten Trägers der freien Jugendhilfe,

  3. in vom Ministerium für Arbeit. Soziales. Familie und Gesundheit besonders festgelegten Aufgabenbereichen der Jugendarbeit und der Jugendsozialarbeit.

(5) Das Land fördert die Fortbildung der haupt- und ehrenamtlich in der Jugendarbeit und der Jugendsozialarbeit tätigen Personen.

(6) Das Land leistet Zuwendungen zu den angemessenen Personal- und Sachkosten der Landes- oder Bezirksgeschäftsstellen der auf Landesebene als Träger der freien Jugendhilfe anerkannten Jugendverbände.

(7) Das Land leistet dem Landesjugendring Zuwendungen zu den angemessenen Personal- und Sachkosten der Geschäftsstelle durch einen Festbetrag. Es kann anderen Zusammenschlüssen von auf Landesebene anerkannten Trägern der freien Jugendhilfe entsprechende Zuwendungen leisten.

(8) Das Land leistet den Trägern der Jugendhilfe Zuwendungen zu den angemessenen Kosten für den Erwerb, den Neu-, Um- und Ausbau und die Ausstattung von Jugendbildungsstätten, Jugendfreizeitstätten, Jugendzeltplätzen, Jugendwohnheimen, Jugendherbergen und Wanderheimen, die von überörtlicher Bedeutung sind.

(9) Das Land kann den Trägem der Jugendhilfe Zuwendungen zu den angemessenen Kosten für den Erwerb, den Neu-, Um- und Ausbau und die Ausstattung örtlicher Jugendzentren, für örtliche Jugendtreffs im ländlichen Raum, für mobile Einrichtungen der Jugendarbeit und für sozialpädagogisch begleitete Wohnformen leisten.

§ 7 — Aufgaben der Jugendhilfeausschüsse und des Landesjugendhilfeausschusses

(1) Der Jugendhilfeausschuß befaßt sich mit allen Angelegenheiten der Jugendarbeit und der Jugendsozialarbeit, insbesondere mit aktuellen Problemen, mit der Jugendhilfeplanung und mit der Förderung der freien Jugendhilfe.

(2) Der Landesjugendhilfeausschuß befaßt sich mit allen überörtlichen Angelegenheiten der Jugendarbeit und der Jugendsozialarbeit; er ist vor dem Erlaß von Verwaltungsvorschriften zur Jugendarbeit und zur Jugendsozialarbeit zu hören. Er unterbreitet Vorschläge zur mittel- und langfristigen Entwicklung der Jugendarbeit und der Jugendsozialarbeit. Er trägt zur Koordinierung und Kooperation der Träger der Jugendarbeit und der Jugendsozialarbeit sowie zu deren Zusammenarbeit mit anderen Institutionen bei.

§ 8 - Übertragung von Verwaltungsaufgaben

(I) Das Ministerium für Arbeit, Soziales, Familie und Gesundheit kann einem Träger oder einem Zusammenschluß mehrerer Träger der Jugendhilfe Verwaltungsaufgaben im Zusammenhang mit der Landesförderung übertragen. Der Beauftragte ist dabei an Weisungen gebunden.

(2) Der Landesrechnungshof ist berechtigt, die bestimmungsgemäße Erfüllung der Aufgaben am Sitz des Beauftragten zu prüfen. Er kann die Prüfung auch auf dessen sonstige Haushalts- und Wirtschaftsführung erstrecken.

§ 9 — Beurlaubung von Beschäftigten, Anrechnung der Beschäftigungszeit

Werden Beamtinnen. Beamte und sonstige Beschäftigte des Landes, einer kommunalen Gebietskörperschaft oder einer der Aufsicht des Landes unterstehenden anderen Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts nach den hierfür maßgebenden Bestimmungen unter Wegfall der Dienstbezüge zum Dienst bei einem Träger der Jugendarbeit oder der Jugendsozialarbeit beurlaubt, liegt die ausgeübte Tätigkeit nach den beamten-, besoldungs-, versorgungs- und tarifrechtlichen Bestimmungen grundsätzlich im dienstlichen Interesse und dient In der Regel überwiegend öffentlichen Belangen.

§ 10 — Verweisungen und Bezeichnungen In anderen Vorschriften

Soweit in anderen Vorschriften auf Bestimmungen verwiesen wird, die durch dieses Gesetz außer Kraft gesetzt werden, oder Bezeichnungen verwendet werden, die durch dieses Gesetz aufgehoben oder geändert werden. treten an deren Stelle die entsprechenden Bestimmungen und Bezeichnungen dieses Gesetzes.

§ 11 — Inkrafttreten

(1) Dieses Gesetz tritt am I. Januar 1994 in Kraft.

(2) Gleichzeitig treten

  1. das Gesetz über die außerschulische Jugendbildung vom 28. April 1975 (GVBI. S. 165, BS 216-20) und

  2. die Landesverordnung zur Durchführung des Gesetzes über die außerschulische Jugendbildung vom 2. Juni 1976 (GVBI. S. 178), zuletzt geändert durch Verordnung vom 30. Oktober 1990 (GVBI. S. 322), BS 216-20-1,

außer Kraft.