1. Aufsichtspflicht

Übernehmen der Aufsichtspflicht
Um rechtlich wirksam zu sein, muss die Aufsichtspflicht vertraglich geregelt sein. Denn eine gesetzliche Regelung der Aufsichtspflicht gibt es nicht. Die Aufsichtspflicht kann nur eine Person, die die gesetzliche Fürsorge für ein Kind inne hat, auf eine andere übertragen. Diese Person können je nach Situation die Eltern oder auch der Vormund oder ein Pfleger sein. Es gibt jedoch einige Möglichkeiten, wer der andere Vertragspartner sein kann.

Vertragspartner: der Leiter
Schließt sich eine Jugendgruppe zusammen, die weder Teil einer größeren Organisation (z.B. eines Jugendverbandes), noch ein rechtsfähiger Verein, aber auch kein nichtrechtsfähiger Verein ist, so kann nur der Jugendgruppenleiter der einzige Vertragspartner sein. Dieser übernimmt dann alle Rechte und Pflichten, die aus dem Vertrag entstehen. Dies ist z.B. der Fall, wenn sich eine Jugendgruppe spontan für kurze Zeit zusammenschließt und ein bestimmtes Ziel anstrebt (z.B. Ferienfahrt).

Der Leiter der Fahrt sollte dann volljährig sein. Ist er dies jedoch nicht, so muss die Einwilligung des/der gesetzlichen Vertreter vorliegen (in den meisten Fällen die der Eltern). Ist dies nicht der Fall, so ist der geschlossene Vertrag "schwebend unwirksam". Wenn die Eltern dann der Jugendgruppenleitertätigkeit nicht nachträglich zustimmen, hat das z.B. für die andere Vertragspartei dann den Nachteil, dass sie keinerlei eventuell durch Verletzung der Aufsichtspflicht entstandenen Schadenersatzanspruch geltend machen kann.

Vertragspartner: ein nicht rechtsfähiger Verein
Ist die Jugendgruppe ein nicht rechtsfähiger Verein oder Glied eines solchen, haftet grundsätzlich derjenige, der den Vertragsschluß vornimmt. Dies wird zumeist der Jugendgruppenleiter selbst sein, so dass dieser in diesem Fall wiederum unmittelbar haftbar gemacht werden kann. Ein nicht rechtsfähiger Vereine ist ein so genannter "Vorverein", der (noch) nicht in das Vereinsregister eingetragen ist.

Vertragspartner: ein rechtsfähiger Verein
Ist die Jugendgruppe selbst ein rechtsfähiger Verein oder Glied eines solchen, so handelt rein rechtlich gesehen immer der Verein. Nur er ist Vertragspartner und kann haftbar gemacht werden. Aber der Jugendgruppenleiter übt selbst die Aufsichtspflicht im Namen des Vereins aus. Rechtsfähige Vereine sind in der Regel Vereine, die in das Vereinsregister eingetragen sind (e.V.).

  1. Haftung

Haftung: zivilrechtlich

Wenn gegen die Aufsichtspflicht vorsätzlich oder fahrlässig verstoßen wird, so muss für den entstandenen Schaden aufgekommen werden.

Übt der Jugendgruppenleiter seine Tätigkeit im Rahmen eines Jugendverbandes aus, so haftet zunächst der Träger. Jedoch haftet der Leiter wiederum gegenüber der Organisation für die entstandenen Schäden. Dies bedeutet, dass der Verein zunächst dem anderen Vertragspartner für entstandenen Schaden aufkommen muss. Dann kann erst auf den Jugendgruppenleiter selbst zurückgegriffen werden. An den gesetzlichen Vertreter eines minderjährigen Gruppenleiters kann sich die Organisation nur in den Fällen halten, in denen der gesetzliche Vertreter der Tätigkeit als Jugendgruppenleiter zugestimmt hat.

Haftung: strafrechtlich

Bei strafbarem Verhalten muss er zudem auch noch mit einer Geld- bzw. Freiheitsstrafe rechnen.
[siehe dazu z.B. das "Tauzieh-Urteil"]

Regeln bei der Übernahme der Aufsichtspflicht

Formvorschriften

Wollen Eltern einen Teil ihrer Aufsichtspflicht vorübergehend auf einen Jugendverband oder Jugendgruppenleiter übertragen, so unterliegt dies keinerlei Formvorschriften. Es ist jedoch zu empfehlen, dass man einiges in bestimmten Fällen im vorab am besten schriftlich klar macht.

Dabei kann grundsätzlich als Richtlinie benutzt werden:
Geht es lediglich um eine einfache, ohne irgendwelche mit besonderen Gefahren verbundenen Veranstaltungen (z.B. Gruppenstunden), kann eine schlüssige Handlung der Erziehungsberechtigten ausreichen. Dies liegt z.B. vor, wenn die Eltern über die Jugendgruppentätigkeiten unterrichtet sind und dem Mitgliedsein im Verein zugestimmt haben.
Werden aber besondere Veranstaltungen, z.B. Wochenendfahrten, durchgeführt, sollte man sich eine ausdrückliche Zustimmung der Erziehungsberechtigten besorgen. Klare mündliche Absprachen reichen zwar, aber wenn man dies schriftlich abmacht, ist man immer auf der sicheren Seite.

Geht es um Unternehmungen, die längere Zeit dauern oder um Veranstaltungen, die mit besonderen Gefahren verbunden sind (z.B. Klettertour) wird eine schriftliche Einverständniserklärung notwendig.

Ausschluß der Aufsichtspflicht

Eine Einschränkung der Aufsichtspflicht ist nur in den Fällen überhaupt möglich, in denen die Eltern darüber bescheid wissen und dem vorab zugestimmt haben. So kann dann Teilnehmern einer Fahrt gestattet werden, nicht z.B. nur in Begleitung mit dem Jugendgruppenleiter vom Zeltplatz in die Stadt zu gehen, sondern dies auch mal allein zu tun. Beispiel einer Einverständniserklärung:

Ich erkläre mich hiermit einverstanden, dass mein Sohn / meine Tochter............. während der am/vom .......... bis ............ stattfindenden Fahrt in/nach ......... teilnimmt.

Ich bin weiterhin damit einverstanden, dass mein Sohn/meine Tochter am Baden teilnimmt.
Er/Sie ist Nichtschwimmer/Schwimmer.
Er/Sie leidet an keinerlei gesundheitlichen Schäden, die das Baden verbieten (z.B. Trommelfellverletzungen, Herz- oder Kreislaufbeschwerden)
Er/Sie leidet unter folgenden Krankheiten/Allergien ...............
Er/Sie muss regelmäßig folgende Medikamente einnehmen .............
Der/Die Teilnehmer/in kann sich gemeinsam mit anderen nach Absprache mit den Verantwortlichen für einige Stunden ohne Aufsicht von der Gruppe entfernen.
Sonstige Bemerkungen .........

Ort, Datum ...........
Unterschrift des Erziehungsberechtigten

Übernahme der Aufsichtspflicht durch einen Minderjährigen

Es bedarf keiner schriftlichen Vereinbarung, dass ein Minderjähriger selbst die Aufsichtspflicht über andere ausübt. Hier genügt es, wenn der Erziehungsberechtigte weiß, das der Jugendliche die Arbeit als Jugendgruppenleiter ausübt und dieser (eventuell stillschweigend) zugestimmt hat.

Vertretung des Gruppenleiters

In der Praxis kann es vorkommen, dass ein Gruppenleiter kurzfristig die Aufsichtspflicht nicht ausüben kann. Dies kann z.B. der Fall sein, wenn er etwas anderes organisieren muss, sei es nun der einfache Einkauf oder die Planung von Lagerveranstaltungen in Zeltlagern. Während dieser Zeit muss sich der Gruppenleiter vertreten lassen. Dies sollte möglichst immer ein anderer Gruppenleiter sein. Der Vertreter muss jedoch mindestens folgende Voraussetzungen erfüllen:

er muss gewillt sein, die Vertretung auszuüben

er muss dazu auch überhaupt in der Lage sein

bei Minderjährigen muss eine Zustimmung der Eltern vorliegen

Im Klartext: der Vertreter muss infolgedessen wohl überlegt ausgewählt und auch über die rechtlichen Konsequenzen der Aufsichtspflicht belehrt worden sein.

Inhalt der Aufsichtspflicht

Durch die Einhaltung der Aufsichtspflicht sollen Kinder und Jugendliche vor Gefahren und Schäden bewahrt werden. Gleichzeitig sollen sie daran gehindert werden, Dritte zu schädigen. Daher erfordert eine verantwortungsvolle Erfüllung der Aufsichtspflicht folgende drei Punkte:

vorsorgliche Belehrung und Warnung

Überwachung

Eingreifen von Fall zu Fall

Diese drei Punkte darf man nicht vergessen. Ein verantwortungsvoller, mit gesundem Menschenverstand ausgestatteter Jugendgruppenleiter wird diesen drei Punkten aber schon automatisch folgen.

Es ist von keinem Jugendleiter zu verlangen, dass dieser die in seiner Obhut befindlichen Kinder und Jugendlichen in jedem Falle unter allen Umständen vor Schaden bewahren kann. Wird der Aufsichtspflicht in voller Weise nachgekommen, so entfällt eine Haftung auch bei eingetretenem Schaden. Es kann nur vom Leiter erwartet werden, dass dieser nach bestem Wissen und Gewissen handelt.

Werden diese Voraussetzungen jedoch nicht erfüllt, so kann der Jugendleiter auf einmal einer zivil- und strafrechtlichen Haftung gegenüberstehen.

Trotzdem soll im folgenden auf jeden Unterpunkt noch einmal spezifisch eingegangen werden:

Belehrung und Warnung

Ein Jugendgruppenleiter muss „seine“ Kinder und Jugendlichen in einer ihnen gemäßen Weise über Charakter, Umfang und auch Folgen möglicher Gefahren und möglichen Verhaltens unterrichten. Dabei muss auf die allgemeinen Gefahren eingegangen werden, die sich z.B. im Lager, aber auch darüber hinaus in der Öffentlichkeit, ergeben. Dabei sollte man auf den Umgang mit Feuer, gefährliches Spielzeug, Gefahren in der Öffentlichkeit (insb. im Straßenverkehr) sowie auch auf die jeweils spezifischen Regeln im Jugendverband aufmerksam machen. Dabei sollte man es sich auf keinen Fall zu einfach machen und nur die Hausordnung herunterleiern. Es muss jeder Punkt einzeln besprochen werden. Auch wenn eine spezielle Aktion in Angriff genommen wird (insb. wenn dies zum ersten mal geschieht) ist es empfehlenswert, die Belehrung noch einmal bezogen auf diesen Fall zu wiederholen. So kann man vor einem Waldspaziergang noch einmal kurz auf die Bestimmungen über den Waldschutz eingehen.

Zu den Warnungen vor Eingreifen durch Verwarnung, Tadel und Strafe siehe den entsprechenden Unterpunkt.

Überwachung

Der Jugendleiter muss überprüfen, ob seine Belehrung verstanden worden ist und die Warnung befolgt wird. Dazu muss man stets die Augen und Ohren offen halten. Dabei sollte man nicht nur an einer Stelle kleben, sondern z.B. auch Kontrollgänge durchführen. Je mehr Gefahren mit einer Unternehmung verbunden sind oder je aggressiver die Teilnehmer sind, desto öfter haben Stichproben stattzufinden. Die Art und das Ausmaß der Überwachung sind also sehr situationsgebunden.

Die Aufsichtspflicht besteht bei einer Fahrt grundsätzlich Rund um die Uhr, 24 Stunden am Tag. Sie ruht lediglich, wenn der Leiter sich davon überzeugt hat, dass alle Kinder und Jugendlichen schlafen. Wenn man selbst schläft, kann von einem nicht erwartet werden, dass man in dieser Zeit noch voll haftet. Aber sobald ein verdächtiges Geräusch wahrgenommen wird und man dadurch geweckt wird, besteht die Aufsichtspflicht wieder voll.

Bei Jugendgruppenstunden endet die Aufsichtspflicht mit dem Ende des Treffens. Schon aus diesem Grunde sollten die Eltern schon im vorab über den Beginn und das Ende der Veranstaltung informiert sein.

Eingreifen von Fall zu Fall

Man muss durch Verwarnung, Tadel oder gar Strafe dann eingreifen, wenn die vorangegangene Belehrung und Warnung durch Unbekümmertheit, Übermut, Leichtsinn, jugendlicher Geltungssucht, Unzulänglichkeit oder purer Absicht nicht befolgt wurde.
Dabei ist eine Verwarnung die wiederholte Belehrung in Verbindung mit dem besonderen Hinweis auf die Folgen. Dabei kommen insbesondere als Folgen in Betracht:

Gefährdung des Kindes/Jugendlichen selbst

Gefährdung der ganzen Gruppe oder Teilen davon

Gefährdung Dritter

Entstehen von Sachschaden

Bei Unzulänglichkeit oder gar bösem Willen durch Absicht kann man letztlich folgende eindeutige Folgerungen gegenüber dem Täter ziehen:

Ausschluß des Täters auf Dauer oder Zeit von bestimmten Veranstaltungen

Ausschluß des Täters aus der Gruppe

nicht in Betracht kommen hingegen folgende Maßnahmen:

körperliche Züchtigungen oder Freiheitsentzug (z.B. anbinden an einen Baum)

Strafgelder

Essensentzug

unkontrollierbare kollektive Gruppenmaßnahmen

  1. Besondere Fälle der Aufsichtspflicht u. Haftung

Im folgenden wird auf einige besondere Fälle der Aufsichtspflicht eingegangen, die im Alltag der Jugendarbeit immer wieder auftreten.

Straßenverkehr
Im Straßenverkehr darf die Jugendgruppe selbst nicht gefährdet werden, aber auch nicht selbst eine Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer darstellen. So sind immer vorhandene Fuß- und Radwege zu nutzen. Eine Wandergruppe hat z.B. dafür zu sorgen, dass sie bei Dunkelheit auf unbeleuchteter Straße ihre seitliche Begrenzung kenntlich macht. Zumindest hat aber die Kenntlichmachung durch eine vordere, nicht blendende Leuchte mit weißem Licht und durch eine hintere mit rotem Licht zu erfolgen.

Radfahrer dürfen grundsätzlich nicht nebeneinander fahren. Da sich aber bei großen Radgruppen eine zu lange Schlange ergibt, die sehr schlecht für Autofahrer zu überholen ist, darf man nur nebeneinander zu zweit fahren, wenn die Gruppen mindestens aus 15 Personen besteht. Sonst ist dies nur gestattet, wenn der Verkehr dadurch in keiner Weise behindert wird.

Trampen
Es gibt keinerlei besonderen gesetzlichen Vorschriften zum Trampen. Aber man sollte folgende Richtlinien beachten:

man sollte das Trampen von Minderjährigen nur dann zulassen, wenn eine vorherige schriftliche Zustimmung des Erziehungsberechtigten vorliegt

man ist als Tramper nicht versichert (nur wenn eine Insassenversicherung abgeschlossen wurde)

Autobahnen dürfen von Fußgängern grundsätzlich nicht betreten werden

der Straßenverkehr darf durch das Trampen in keiner Weise behindert werden (z.B. durch das absichtliche Betreten der Straße, um Fahrer anzuhalten). Am besten erfolgt das Zusteigen an Raststätten oder Tankstellen

immer auf ausreichende Sitzgelegenheiten achten, das Auto darf nicht überlastet werden

das Mitfahren auf Lastflächen von Lkws ist verboten

vor dem Einsteigen Autonummer und Besonderheiten merken

Baden
Gerade beim Baden muss der Jugendgruppenleiter dafür sorgen, dass er der nötigen Aufsichtspflicht nachkommt. Hier entstehen besondere Gefahren für das Leben und die Gesundheit der Kinder und Jugendlichen. Wenn man dem nicht nachkommt, so können besonders hier Haftungsfälle auf zivilrechtlicher Basis entstehen. Darüber hinaus kommt bei einer Pflichtverletzung eine Verfolgung durch die Strafbehörden wegen fahrlässiger Körperverletzung / Tötung oder unterlassener Hilfeleistung in Betracht.
Schon deshalb ist darauf zu achten, dass eine vorherige Badeerlaubnis durch die Erziehungsberechtigten erteilt wurde.

Man sollte mindestens folgenden Anforderungen gerecht werden:

im voraus dafür sorgen, dass eine sofortige Hilfeleistung gewährt werden kann (für die Rettung, sowie auch für die Behandlung am Ufer)

die Badestelle geschlossen mit den Badewilligen betreten und auch geschlossen wieder verlassen, gegebenenfalls sollte man eine Beendigung des Badebetriebes für alle gleichzeitig anordnen

vor und nach dem Baden die Kinder und Jugendlichen abzählen, eine große Gruppe wirkt hier sehr unübersichtlich und ist deshalb aus Überwachungsgründen möglichst abzulehnen

vor Beginn das Wasser prüfen (Temperatur, Strömung, Untiefen), auf Gefahren hinweisen

Konstitution der Kinder und Jugendlichen prüfen, insbesondere sollte man die Kinder nicht mit vollem Magen baden lassen

Spezielle Bestimmungen und Anregungen kann man beim DLRG (Deutsche Lebensrettungsgesellschaft) erhalten. Natürlich sollte man sich auch vorher vergewissern, dass das Baden an der vorgesehenen Stelle überhaupt erlaubt ist.

Zum Thema Aufsichtspflicht und Haftung beim Baden mit Kindern und Jugendlichen im Rahmen außerschulischer Maßnahmen gibt es von der ehemaligen Landesjugendpflegerin Martina Luig eine kurze Stellungnahme.