Zweite Fachkräftebefragung 2022 zu Jugendarbeit, Jugendsozialarbeit und Jugendverbandsarbeit in Zeiten von Corona:

Im Frühjahr 2022 hat das rheinland-pfälzische Jugend Ministerium eine zweite Fachkräftebefragung in Auftrag gegeben. Ziel der Untersuchung war es, die weiteren und langfristigen Veränderungen der Arbeit der Fachkräfte durch die Corona Pandemie zu dokumentieren, Veränderungen bei den Zielgruppen zu betrachten, aktuelle Herausforderungen zu benennen und Hinweise auf Entwicklungen und Unterstützungsbedarfe zu geben.

Die zweite Fachkräftebefragung ist eine Folgebefragung zur Befragung der Fachkräfte im Frühsommer 2020. Die Befragung fand statt im Zeitraum vom 17.02.2022 bis zum 18.03.2022.

Es erfolgten 123 Rückmeldungen aus der kommunalen Jugendarbeit und Jugendsozialarbeit. Dabei haben Fachkräfte aus 35 von 41 Jugendamtsbezirken teilgenommen. 70 Teilnehmende aus der Jugendverbandsarbeit haben eine Rückmeldung gegeben.


Zentrale Ergebnisse der 2. Fachkräftebefragung

Einsatz von und Zusammenarbeit mit Ehrenamtlichen

75 bis 90 % der Befragten berichten im Zuge der Corona-Pandemie von Herausforderungen in der Zusammenarbeit mit Ehrenamtlichen. Der Einsatz Ehrenamtlicher ist in der kommunalen Jugendarbeit und Jugendverbandsarbeit unverzichtbar. Von Veränderungen im Einsatz der ehrenamtlichen Kräfte durch Corona berichten drei Viertel der Befragten der kommunalen Jugendarbeit und Jugendsozialarbeit, bei den Jugendverbänden sind dies über 90 %. Dabei handelt es sich insbesondere um Schwierigkeiten bei der Gewinnung ehrenamtlich Tätiger (kommunale Jugendarbeit und Jugendsozialarbeit: 75 %; Jugendverbände: 70 %) oder in deren Einsatz (kommunale Jugendarbeit und Jugendsozialarbeit: 71 %; Jugendverbände: 72 %). Viele Angebote der Jugendarbeit, die auf der Mitarbeit von Ehrenamtlichen basieren, wie z.B. Jugendfreizeiten und Gruppenstunden etc. müssen jetzt und in Zukunft möglicherweise eingeschränkt werden. Insbesondere die kommunale und die verbandliche Jugendarbeit ist dabei gefordert, für zukünftige Planungen neue Ehrenamtliche zu gewinnen und an sich zu binden. Zu den Gründen hierfür zählen: Schwierigkeiten in der Kommunikation und Koordination über digitale Wege sowie ausgefallene Treffen und Fortbildungen.

Finanzielle Situation – Landesförderung – weiterer Unterstützungsbedarf

Die Corona-Pandemie hat Träger der kommunalen Jugendarbeit und Jugendsozialarbeit ebenso wie Jugendverbände vor finanzielle Herausforderungen gestellt. Fehlenden Einnahmen stehen höhere Kosten z.B. durch mehr Hygienemaßnahmen und Honorarkräfte für kleinere Gruppen gegenüber. Dennoch erweist sich die Finanzierung aus Sicht der Mehrheit der Befragten als sicher. Hier zeigen die Daten leichte Verbesserungen im Vergleich zur ersten Studie. Das kann als Hinweis dafür verstanden werden, dass die erhöhten Förderungen des Landes im Bereich der verbandlichen und kommunalen Jugendarbeit zur Sicherung beigetragen haben.

Die Landesförderung leistete auch aus dem Digitalprogramm wichtige Unterstützung in der digitalen (Weiter-)Entwicklung der kommunalen Jugendarbeit und Jugendsozialarbeit sowie der Jugendverbandsarbeit und trug dazu bei, in der Corona-Pandemie handlungsfähig zu bleiben. Rund 40 % der Fachkräfte der kommunalen Jugendarbeit und Jugendsozialarbeit sowie knapp zwei Drittel der Fachkräfte aus den Jugendverbänden geben an, Fördermittel aus dem Digitalprogramm bezogen zu haben. Die erhöhten Landesförderungen im Rahmen der Maßnahmenförderung spielten bei der Durchführung analoger Angebote bzw. von Jugendfreizeiten eine zentrale Rolle. Die Erhöhung der Tagessätze in der sozialen Bildung respektive bei Jugendfreizeiten, wurde von knapp 40 % der Fachkräfte der kommunalen Jugendarbeit und Jugendsozialarbeit sowie von mehr als 70 % der Fachkräfte der Jugendverbandsarbeit genutzt. Sie wurde in erster Linie für eine Reduzierung von Teilnahmebeiträgen bis hin zur Kostenfreiheit verwendet.

Dies stellt insbesondere für junge Menschen aus finanziell belasteten Familien eine Grundvoraussetzung dar, um an den Angeboten teilnehmen zu können. Über die Fördermittel wurden auch erhöhte Kosten für Hygienemaßnahmen, größere Räume und kleinere Gruppen sowie Stornokosten aufgefangen. Darüber hinaus nutzte ein Fünftel der befragten Jugendverbände die Unterstützung aus dem vom Land finanzierten Corona-Sonder-Projekttopf des Landesjugendrings Rheinland-Pfalz, welche den finanziellen Spielraum der Verbände erweiterte, um zusätzliche Angebote für ihre Zielgruppen entwickeln und durchzuführen zu können.

Digitale Rahmenbedingungen und Kommunikationswege

Insgesamt wird die digitale Infrastruktur in den Institutionen von den Fachkräften in der Befragung positiv bewertet. Im Vergleich zum Zeitpunkt der ersten Befragung im Frühsommer 2020 berichten in der vorliegenden Studie deutlich mehr als die Hälfte der Fachkräfte der kommunalen Jugendarbeit und Jugendsozialarbeit sowie knapp 70 % der Fachkräfte der Jugendverbandsarbeit von Verbesserungen der technischen Ausstattung ihrer Institution. Hierzu konnte die Digitalförderung des Landes ganz maßgeblich beitragen.

So berichten Fachkräfte, deren Institution die Förderung aus dem Digitalprogramm des Landes in Anspruch genommen haben, häufiger sowohl von Verbesserungen der digitalen Infrastruktur, als auch von Verbesserungen der fachlichen Qualifikation der Mitarbeitenden bei der Umsetzung digitaler Angebote. Für jeweils etwa ein Viertel der Fachkräfte der kommunalen Jugendarbeit und Jugendsozialarbeit zeigen sich jedoch weiterhin Verbesserungsbedarfe bezüglich der technischen Ausstattung (26 %) der Institutionen, der personellen Ressourcen (27 %) und der Nutzbarkeit seitens der Adressatinnen und Adressaten (26 %). Für die Fachkräfte der Jugendverbandsarbeit fallen die jeweiligen Anteile etwas niedriger aus (zwischen 10 % und 20 %), jedoch wird auch hier Verbesserungsbedarf sichtbar. Datenschutzrechtliche Bestimmungen stellen vor allem für Fachkräfte in Institutionen kommunaler Trägerschaft ein Hindernis dar. Die Befragung zeigt, dass die digitale Ausstattung eine wertvolle Ergänzung im Angebotsportportfolio der Fachkräfte darstellt, um im Lockdown handlungsfähig zu bleiben. Die Jugendarbeit hat in dieser Zeit den digitalen Raum „erobert“ und neue Instrumente wie Videokonferenzen und Social-Media eingesetzt und Messenger genutzt. So haben 77 % der Fachkräfte der kommunalen Jugendarbeit und Jugendsozialarbeit sowie 93 % der Fachkräfte der Jugendverbände angegeben, seit Beginn der Corona-Pandemie ihre Kommunikationswege ausgebaut zu haben. Die Jugendsozialarbeit hat verstärkt telefonische Kontaktmöglichkeiten (90 %) angeboten, insbesondere die kommunale Jugendarbeit hat den Einsatz von Social-Media (Instagram 69 %; Facebook: 47 %) intensiviert. Für die Jugendverbände spielt der Einsatz von Tools für Videokonferenzen eine besonders wichtige Rolle (84 %).

Angebote der kommunalen Jugendarbeit und Jugendsozialarbeit sowie der Jugendverbandsarbeit

Die zweite Fachkräftebefragung zeigt, dass die Angebote der kommunalen Jugendarbeit, Jugendsozialarbeit und Jugendverbandsarbeit verlässliche und sichere Orte der Begegnung und Gemeinschaft schaffen und sich als zentraler Baustein in der Bewältigung der Corona-Krise erweisen. Mit hohem Arbeitsaufwand und viel Engagement haben die Fachkräfte auf die Corona-Maßnahmen auch auf die Veränderungen der jungen Menschen reagiert und konnten in nahezu allen Bereichen analoge und digitale Angebote anbieten. Dabei mussten die meisten Angebote auf Grundlage der Corona-Schutzmaßnahmen angepasst oder überprüft werden. Knapp 90 % der Fachkräfte der Jugendverbände sowie knapp 70 % der Fachkräfte der kommunalen Jugendarbeit und Jugendsozialarbeit berichten, seit Beginn der Corona-Pandemie neue digitale Angebote geschaffen zu haben.

Das Freizeitverhalten der jungen Menschen hat sich während der Pandemie verändert. Viele Treffen und Aktivitäten haben sich ins Private verlagert. Alleine Zeit vor dem Bildschirm zu verbringen, ist ein wesentlicher Bestandteil der Freizeitbeschäftigung geworden. Dem steht ein erhöhter Bedarf an Kontakt zu Gleichaltrigen, zu festen Bezugspersonen und an persönlicher Beratung gegenüber. So zeigt die zweite Fachkräftebefragung, dass junge Menschen vor allem über analoge Angebote gut erreichbar sind. Junge Menschen wünschen sich vor allem das Erleben in Gruppen durch analoge Angebote, um so wieder Alltagsnormalität zu erhalten. Die Fachkräfte haben diesbezüglich verstärkt Formate entwickelt, die einen Schwerpunkt auf das (Wieder-)Erlernen verloren gegangener Sozialkompetenzen legen.

Digitale Angebote stellen zwar weiterhin eine wichtige Ergänzung dar, es wird jedoch auch eine digitale Müdigkeit sichtbar. Ihre Potentiale entfalten digitale Formate insbesondere im Rahmen von Planungstreffen und Gremiensitzungen. Ihr Einsatz kann hier – gerade auch im ländlichen Raum – Zeit und Ressourcen sparen. Digitale Angebote stellen damit nicht nur vorübergehende Notlösungen dar, sondern können das Angebotsportfolio der kommunalen Jugendarbeit, Jugendsozialarbeit und der Jugendverbandsarbeit sinnvoll erweitern.

Die fortlaufende Anpassung der Angebote an die jeweils gültigen Corona-Maßnahmen wie auch die neuen und/oder veränderten Bedarfe der Zielgruppen gehen mit einer Mehrbelastung der Fachkräfte einher. So berichten rd. 77 % der Fachkräfte der kommunalen Jugendarbeit und Jugendsozialarbeit sowie rd. 80 % der Fachkräfte der Jugendverbände von einer stärkeren Arbeitsbelastung.

Zielgruppen der kommunalen Jugendarbeit und Jugendsozialarbeit sowie der
Jugendverbandsarbeit

Die pandemiebedingten Einschränkungen der Arbeit der Fachkräfte in der kommunalen Jugendarbeit, Jugendsozialarbeit und Jugendverbandsarbeit sowie auch im Alltag ihrer Adressatinnen und Adressaten haben Veränderungen in der Erreichbarkeit der Zielgruppen zur Folge. So berichten knapp 46 % der Fachkräfte der Jugendarbeit und Jugendsozialarbeit sowie 41 % der Fachkräfte der Jugendverbandsarbeit davon, Gruppen, die sie vor Ausbruch der Corona-Pandemie erreicht haben, mit ihren Angeboten nicht mehr zu erreichen. Hier handelt es sich insbesondere um Zielgruppen im Jugendalter zwischen 14 und 17 Jahren und älteren Jugendlichen. Über die Corona-Zeit sind diese dem Angebot z.T. entwachsen oder befinden sich auf dem Weg in Ausbildung, Beruf und Studium. Auch der Zugang zu jungen Menschen aus finanziell benachteiligten Familien – der sich schon vor Corona als erschwert gestaltete - hat sich durch die Pandemie verschlechtert. Dafür konnten neue Zielgruppen erreicht werden. Jüngere Menschen, unter 14 Jahren, vor allem 6- bis 10-jährige, haben den Zugang zu den Angeboten neu gefunden. Aber auch Jugendliche aus dem ländlichen Raum sowie introvertierte und technikaffine junge Menschen konnten durch die neuen digitalen Angebote erreicht werden.

Bei einem Teil der jungen Menschen haben in der Pandemie Sorgen sowie Ängste, Unsicherheiten, Überforderungsgefühle, Antriebslosigkeit oder auch Vereinsamungstendenzen zugenommen, die von den Fachkräften wahrgenommen wurden. Vor allem in den Bereichen „schulische Probleme“ (kommunale Jugendarbeit und Jugendsozialarbeit: rd. 61 %; Jugendverbandsarbeit: rd. 33 %), „psychische Probleme“ (kommunale Jugendarbeit und Jugendsozialarbeit: rd. 58 %; Jugendverbandsarbeit: 50 %) und „soziale Kompetenzen“ (kommunale Jugendarbeit und Jugendsozialarbeit: rd. 50 %; Jugendverbandsarbeit: rd. 39 %) verzeichneten die Fachkräfte einen Zuwachs.